Behörde ignoriert Gerichtsbeschluss zur Akteneinsicht: Bußgeldverfahren eingestellt!

Hier hatte wieder ein Mandant Glück, der mit 22 km/h „zu viel erwischt“ worden war. Zur Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung wurde auch die zum Messgerät (Leivtec XV3) gehörende „Gerätestammkarte“ von der Bußgeldstelle angefordert. Die Gerätestammkarte ist eher unter dem Begriff „Lebensakte“ bekannt und meint die Auflistung beispielsweise von Defekten und Reparaturen an einem Messgerät, so dass man sich ein Bild machen kann, ob eine bestimmte Störung zum Zeitpunkt der Messung vorgelegen hat, was im Einzelfall gegen die Richtigkeit des Messergebnisses sprechen kann.

Für das Landesverwaltungsamt im Saarland als Zentrale Bußgeldbehörde unüblich war, dass die Gerätestammkarte in diesem Fall nicht „freiwillig“, sondern nur auf richterlichen Beschluss herausgegeben werden sollte. Zuvor hatten wir die Übersendung fünfmal (!) erfolglos beantragt bzw. daran erinnert. Letztlich haben wir vom Amtsgericht Merzig einen Beschluss erhalten, wonach die Behörde die Gerätestammkarte/Lebensakte übersenden muss. Knapp einen Monat später wurde wieder an die Übersendung erinnert, dennoch passierte nichts.

In der Hauptverhandlung vor dem (nunmehr zuständigen) Amtsgericht St. Ingbert wurde deshalb kritisiert, dass eine vollständige Überprüfung der Messung nicht möglich gewesen sei. Auch das Amtsgericht fand die Verweigerung bzw. das Ignorieren unserer Aufforderungen durch die Bußgeldstelle nicht so toll und stellte es das Bußgeldverfahren ein. Daher muss der Mandant weder 70 Euro bezahlen, noch erhält er einen Punkt.

4 thoughts on “Behörde ignoriert Gerichtsbeschluss zur Akteneinsicht: Bußgeldverfahren eingestellt!”

  1. Jetzt bekommt hoffentlich das Landesverwaltungsamt ein Bußgeld wegen des Ignorierens eines Gerichtsbeschlusses. Oder wie wird diese behördliche Renitenz geahndet? War da nicht was, von wegen an Recht und Gesetz gebunden??? Hmmm…

  2. Interessant wäre hier noch die Frage, ob es eine Einstellung gem. §§ 46 OWiG, 170 II StPO oder gem. § 47 OWiG war. Dies wiederum ist wichtig für die Frage, ob der Rechtsanwalt seine Gebühren aus der Staatskasse erhält.

    1. Hier der Beschluss im Wortlaut:

      „[…] wird das Verfahren gemäß § 47 OWiG eingestellt.

      Es wird davon abgesehen außergerichtliche Kosten des Betroffenen der Landeskasse aufzuerlegen.“

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