PTB möchte Speicherung von Rohmessdaten bei Geschwindigkeitsmessungen zukünftig unterbinden

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes urteilte im vergangenen Jahr bekanntlich, dass Geschwindigkeitsmessungen ausreichend nachvollziehbar und überprüfbar sein müssen. Deshalb müssten die verwendeten Geräte sämtliche bei einer Messung angefallenen Daten und nicht  – wie viele der in Deutschland eingesetzten Geräte – nur das Endergebnis speichern. Nach wie vor speichern lediglich verschiedene Geräte der Firma ESO ausreichend viele Daten. Dies ist auch dadurch zu erklären, dass die für die Zulassung bzw. Prüfung der Geräte und ihrer Software zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) die Speicherung weiterer Daten nie zur Vorgabe gemacht hat. Ihrer Ansicht nach genügt es, das Endergebnis (Geschwindigkeitswert) zu speichern. Die Firma Jenoptik, deren Gerät TraffiStar S 350 von dem Urteil betroffen war, kündigte nach dem Urteil an, ein Software-Update zu entwickeln, um die vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten rechtsstaatlichen Forderungen zu erfüllen.

Nunmehr teilte Jenoptik in einer Stellungnahme aus dem März („Neues zum Thema Zusatzdaten“) mit, die neue Software nicht auf den Geräten einsetzen zu dürfen. Denn die PTB habe die Zulassung der Software abgelehnt mit der Begründung, ein Messgerät dürfe keine Merkmale aufweisen, „die eine Benutzung in betrügerischer Absicht erleichtern, sofern eine Verwechslung mit den geeichten Messwerten nicht ausgeschlossen sei.“ Aus diesem Grund sei nach Ansicht der PTB das Zur-Verfügung-Stellen von Rohmessdaten als Verstoß gegen die Mess- und Eichverordnung (MessEV) sowie die PTB-Anforderungen 12.05 anzusehen. Ferner gelte dies für alle in Deutschland zur Geschwindigkeitsüberwachung eingesetzten Messsysteme. Dies würde bedeuten, dass zukünftig kein Geschwindigkeitsmessergebnis, welches einem Bußgeldbescheid zugrunde liegt, auf Richtigkeit überprüft werden kann.

Der einzige Abschnitt in der MessEV, welcher von „betrügerischen Absichten“ handelt, ist Nr. 7.1 der Anlage 2 zur MessEV. Dort heißt es: „Ein Messgerät darf keine Merkmale aufweisen, die eine Benutzung in betrügerischer Absicht erleichtern.“ Die Formulierung „Benutzung“ legt aber – auch unter Berücksichtigung anderer Vorschriften in der MessEV mit ähnlichem Wortlaut – nahe, dass lediglich die Polizeibehörde bzw. der Beamte, der ein Gerät im Straßenverkehr einsetzt und damit misst, als „Benutzer“ gemeint sein soll. Da dieser aber lediglich das Gerät aufbaut und aktiviert, üblicherweise aber nicht auf Rohmessdaten zugreift oder diese verändert, kann dies kaum gemeint sein. Von Bedeutung sind die Rohmessdaten vielmehr dann, wenn ein Betroffener im Bußgeldverfahren die Richtigkeit des Messwerts in Frage stellt. Ein Rechtsanwalt oder Sachverständiger, der daraufhin (zeitlich deutlich nach dem Messvorgang) die vom Gerät erzeugten bzw. aufgezeichneten Daten analyisiert, „benutzt“ aber das Gerät nicht.

Die von der PTB genannten Regelungswerke enthalten nach unserer Auffassung folglich keine Grundlage, die Speicherung von Rohmessdaten zu untersagen. Auch sonst überzeugt die Argumentation der PTB nicht. So argumentiert sie wohl auch, dass eine Verwechslungsmöglichkeit mit dem „geeichten Messwert“ bestehe. Abgesehen davon, dass es begrifflich so etwas wie einen „geeichten Messwert“ nicht gibt, speichert jedes in Deutschland eingesetzte Messgerät (unabhängig davon, ob es auch Rohmessdaten speichert) das Ergebnis der Messung, also die Geschwindigkeit, in einem Falldatensatz (Datei im herstellerspezifischen Format) ab. Diese Datensätze werden vom Gerät mit einer digitalen Signatur versehen, so dass Veränderungen in „betrügerischer Absicht“ sofort auffallen. Auch Veränderungen an den bei der Behörde vorliegenden Messdaten können durch Rechtsanwälte oder Sachverständige denknotwendig nicht vorgenommen werden, da diese stets nur Kopien dieser Daten erhalten. Die einzige Veränderung von Messdaten in „betrügerischer Absicht“, die in diesem Zusammenhang überhaupt bekannt geworden ist, wurde übrigens von niemand geringerem als Mitarbeitern einer Bußgeldstelle (in Mecklenburg-Vorpommern) vorgenommen. Diese Manipulationen konnten jedoch mit Hilfe der signierten Originaldaten ohne Weiteres nachgewiesen werden.

Womöglich ging es der PTB auch gar nicht um die Gefahr der Veränderung von Messdaten. Ein weiteres „beliebtes“ Argument gegen die Möglichkeit, Geschwindigkeitsmessungen im Nachhinein überprüfbar zu halten, besteht nämlich darin, dass bei Offenlegung aller Daten diese falsch interpretiert und damit Messungen und Messgeräte zu Unrecht als unzuverlässig dargestellt werden könnten. Hierauf ist bereits der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes eingegangen und hat das Argument zurückgewiesen:

„Der Einwand, die Speicherung von Messdaten habe dazu geführt, dass in Bußgeldverfahren aus wissenschaftlicher Betrachtung nicht haltbare Zweifel an der Plausibilität von Messergebnissen geäußert worden seien, trägt nicht. Die Verteidigung eines von einem staatlichen Verfahren Betroffenen kann nicht allein mit dem Argument abgeschnitten werden, sie werde den gegen ihn erhobenen Vorwurf ohnehin nicht entkräften können.“

Mit anderen Worten: Dass im Einzelfall Messergebnisse fälschlicherweise als unrichtig dargestellt werden könnten, ist kein Grund dafür, allen Betroffenen eine Überprüfung zu verwehren. Dagegen, Sachverständige diesbezüglich unter „Generalverdacht“ zu stellen, spricht im Übrigen, dass öffentlich bestellte Sachverständige nach den einschlägigen Sachverständigenordnungen (§ 36 Absatz 4 der Gewerbeordnung) verpflichtet sind, ihre Beguatchtungen unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von Wissenschaft, Technik und Erfahrung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Sachverständigen zu erledigen.

Es spricht demnach viel dafür, dass das Verlangen der PTB, die Speicherung zusätzlicher Messdaten zu unterlassen, rechtswidrig ist. Hinzukommt: Unternehmen haben einen Anspruch darauf, dass die von ihnen hergestellten Messgeräte, welche dem Stand der Technik entsprechend und auch im Übrigen die Vorgaben des Mess- und Eichrechts erfüllen, zugelassen werden bzw. dass sie die erforderlichen Bescheinigungen (Konformitätsbewertungsverfahren) erhalten. Vor allem aber macht die Nichtspeicherung dieser Daten Betroffenen den Nachweis einer Fehlmessung häufig unmöglich. Obwohl ein gesetzliches Verbot, diese Daten zu speichern, um den Messvorgang transparent zu halten, nicht existiert. Ob die Gerätehersteller sich gerichtlich zur Wehr setzen, ist aber fraglich: Dass Rohmessdaten, welche ihre Geräte im Extremfall als unzuverlässig darstellen könnten, nicht gespeichert werden, kann vielmehr in ihrem eigenen Interesse liegen.

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