Neuer Bußgeldkatalog: Fahrverbote unwirksam?

Ende April traten teils drastische Verschärfungen im Bußgeldkatalog in Kraft. So werden für Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts um 21 km/h und mehr sowie außerorts ab 26 km/h bereits Regelfahrverbote vorgesehen. Selbst von Seiten des zuständigen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur kamen Zweifel daran auf, ob diese Sanktionen noch verhältnismäßig sind, so dass sogar diskutiert wird, die Änderungen wieder zurückzunehmen. Seit einigen Tagen wird von verschiedenen Stellen vermutet, dass die neuen Bußgeldregeln überhaupt nicht wirksam sind und stattdessen nach wie vor die alten Regeln (Fahrverbot erst ab 31 km/h innerorts und 41 km/h außerorts) gelten. Betroffene sollten daher einen Einspruch in Erwägung ziehen, falls sie einen Bußgeldbescheid - unabhängig von welcher Behörde und in welchem Bundesland - erhalten.

Die Bußgeldkatalog-Verordnung, aus welcher sich die für Verkehrsverstöße zu verhängenden Geldbußen und Fahrverbote ergeben, ist kein Gesetz, sondern eine vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erlassene Rechtsverordnung. Da beim Erlass (oder auch der Änderung) einer solchen Verordnung das Parlament (Bundestag) nicht beteiligt wird, ist stets ein Gesetz als Grundlage dafür, dass das jeweilige Ministerium oder eine andere Stelle die Vorschrift erlassen darf, erforderlich, wie man Artikel 80 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes entnehmen kann. Satz 3 besagt außerdem: "Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben" (Zitiergebot). Die Rechtsgrundlage für die Aufnahme von Fahrverboten in den Bußgeldkatalog ist § 26a Absatz 1 Nummer 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Sieht man sich nun die Änderungsverordnung, mit der die erhöhten Bußgelder und Fahrverbote eingeführt wurden, an, stellt man fest: Auf "§ 26a Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Straßenverkehrsgesetzes" wurde in der sog. Eingangsformel der Verordnung Bezug genommen, nicht aber auf Nummer 3, welche die Fahrverbote betrifft!

Kleiner Fehler, große Wirkung, denn zum Zitiergebot führt das Bundesverfassungsgericht aus: "Das Zitiergebot erfordert vor allem, daß die einzelne Vorschrift des Gesetzes genannt wird, in welcher die Ermächtigung enthalten ist." Dies wird so verstanden, dass neben dem Paragraph auch Absatz, Satz und Nummer angegeben werden müssen, wenn die gesetzliche Grundlage entsprechend unterteilt ist. § 26a StVG ist derart unterteilt, da sein erster Absatz drei Nummern mit unterschiedlichen Regelungen enthält. Dementsprechend liegt die Ansicht, dass die Änderungsverordnung auch § 26a Absatz 1 Nummer 3 hätte benennen müssen und deshalb die neuen Fahrverbotsregeln unwirksam sind, nahe. Dies bedeutet, dass der "alte" Bußgeldkatalog weitergilt, so dass u. a. erst bei einer Überschreitung um 31 km/h oder mehr innerhalb geschlossener Ortschaften und 41 km/h außerhalb ein Fahrverbot verhängt werden kann.

Wer einen Bußgeldbescheid mit Fahrverbot erhält, muss, um die Fehlerhaftigkeit der Fahrverbotsanordnung geltend zu machen, Einspruch gegen den Bescheid einlegen oder durch einen Rechtsanwalt einlegen lassen. Ob die neuen Regeln unwirksam sind, wird dann durch das zuständige Bußgeldgericht entschieden. Ebenfalls muss durch die Gerichte geklärt werden, ob auch die weiteren Ende April verkündeten Änderungen an der Straßenverkehrsordnung und dem Bußgeldkatalog unwirksam sind.

Die Rechtsgrundlage (§ 26a Straßenverkehrsgesetz) ist nicht genau genug zitiert.
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Entstehende Kosten werden von einer Verkehrs-Rechtsschutzversicherung übernommen.

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