„Warum steht das Schild da?“ – Geblitzte dürfen Antwort auf diese Frage einfordern

Wer zu schnell gemessen wird, wird sich ggf. die Frage gestellt haben, weshalb an dieser Stelle die Geschwindigkeit überhaupt beschränkt war. Teilweise ist dies offensichtlich, etwa an schutzwürdigen Örtlichkeiten wie Schulen oder wenn auf einem Zusatzzeichen eine Begründung (z. B. Straßenschäden) angegeben wird. Mitunter erkennt man aber nicht sofort, weshalb auf einer Straße eine Geschwindigkeit beschränkt wird, weshalb Kommunen oder Polizei bei entsprechenden Kontrollen häufig der Vorwurf der „Abzocke“ gemacht wird.

Geschwindigkeitsbeschränkungen müssen sachlichen Grund haben

Klar ist: Die Anordnung von Höchstgeschwindigkeiten steht nicht im Belieben der zuständigen Straßenverkehrsbehörde, sondern unterliegt bestimmten Voraussetzungen, welche im Wesentlichen in § 45 der Straßenverkehrsordnung benannt werden. Dort ist beispielsweise von Verkehrsbeschränkungen „aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung“ die Rede. Die Rechtmäßigkeit solcher verkehrsrechtlicher Anordnungen kann von Verwaltungsgerichten überprüft werden; besonders schwere und offensichtliche Fehler (z. B. willkürliche Anordnungen) haben darüber hinaus zur Folge, dass die Anordnungen von vorneherein unbeachtlich sind. Dann kann auch kein Bußgeld verhängt werden, wenn ein Verkehrsteilnehmer das Schild nicht beachtet.

Neue Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken

Unser Mandant wurde auf einer Autobahn nachts mit 126 km/h gemessen, obwohl die Geschwindigkeit dort auf 100 km/h beschränkt war. Neben der Verfahrensakte wurde durch unsere Kanzlei die Überlassung verschiedener Messdaten, der verkehrsrechtlichen Anordnung und des Beschilderungsplans. Dies lehnte die Bußgeldstelle sowie das Amtsgericht St. Ingbert ab. Dadurch sah das Saarländische Oberlandesgericht den Anspruch des Mandanten auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör verletzt. Es müsse die Möglichkeit eröffnet sein, auf Antrag die mögliche Nichtigkeit der Anordnung überprüfen zu können. Vor der Einsichtnahme müsse ein Betroffener auch keine Anhaltspunkte für eine mögliche Fehlerhaftigkeit der verkehrsrechtlichen Anordnung vortragen, da er diese vor Prüfung der Anordnung ggf. gar nicht kennt (Aktenzeichen 1 Ss (OWi) 59/21).

Ein Betroffener oder sein Verteidiger können also regelmäßig Einsicht in die verkehrsrechtliche Anordnung einschließlich der Begründung für die Anordnung nehmen. Ein besonderet Anlass oder eine Begründung für das Einsichtsbegehren müssen nicht vorgebracht werden. Das Recht gilt natürlich nur, wenn im Einzelfall auch eine Anordnung existiert – bei der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h bedarf es einer gesonderten Anordnung beispielsweise nicht, weil sich die Höchstgeschwindigkeit unmittelbar aus der Straßenverkehrsordnung ergibt.

Fazit

Bei der Verteidigung gegen den Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung macht es häufig Sinn, sich die Anordnung der geltenden Geschwindigkeit zeigen zu lassen. Häufig sind die geltenden Geschwindigkeiten zwar in Ordnung. Hin und wieder erhalten wir in der Praxis aber auch Kenntnis von „Extremfällen“, z. B. wenn die Reduzierung der Geschwindigkeit gerade deshalb erfolgt, um Geschwindigkeitsmessungen durchführen zu können (und dies auch noch in der Anordnung dokumentiert wird). Verkehrsrechtliche Anordnungen gibt es im Übrigen nicht nur in Bezug auf die Höchstgeschwindigkeit, sondern beispielsweise auch bei Überholverboten oder anderen Verkehrszeichen.

Ist eine Anordnung fehlerhaft ergangen, der Fehler aber nicht so schwerwiegend, dass er zur Unwirksamkeit führen würde, kann dies dennoch Grund dafür sein, dass ein Bußgeldverfahren eingestellt wird oder das Bußgeld, die Punkte oder das Fahrverbot wegfallen bzw. reduziert werden. So hat beispielsweise Amtsgericht St. Ingbert entschieden, nachdem eine Gemeinde 30 km/h wegen einer scharfen Kurve angeordnet hatte, die Kurve allerdings erst weit hinter dem Schild lag.

Im Übrigen können, wenn Sinn und Zweck einer Regelung für Verkehrsteilnehmer erkennbar sind, nicht nur Fehler der Regelung erkannt werden, sondern zudem eine höhere Akzeptanz für die Regelungen und damit mehr Verkehrssicherheit erreicht werden.

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