Dass nicht jeder Bußgeldbescheid im Straßenverkehr zu Recht ergeht, wurde in diesem Blog schon häufig erwähnt. Die Verwendung von Messgeräten, die etwa falsch aufgebaut werden oder beschädigt sind, lässt es zumindest möglich erscheinen, dass Verkehrsteilnehmern zu hohe Geschwindigkeitswerte vorgeworfen werden, was sich dann bei der Höhe der Geldbuße, der Anzahl der Punkte und der Dauer eines Fahrverbots bemerkbar macht. Auch bei der Überwachung von roten Ampeln können Fehler auftreten. Messfehler, ob bei Überwachung der Geschwindigkeit oder des Rotlichts, können oft nur herausgefunden werden, wenn man die von den (digitalen) Messgeräten erzeugten Messdateien technisch überprüfen lässt. Die Kosten dafür werden übrigens – was vielen nicht bekannt ist – beim Bestehen einer Verkehrsrechtsschutzversicherung von dieser übernommen.
In dem Verfahren von einem unserer Mandanten weigerte sich allerdings die Bußgeldbehörde, diese Dateien herauszugeben bzw. übersandte verschlüsselte Dateien, nicht aber den Schlüssel, um diese lesbar zu machen. Diesen sollte unser Büro der Hessischen Eichdirektion für 150 Euro „abkaufen“. Die Existenz weiterer Dateien wurde abgestritten, obwohl ein Sachverständiger dazu mitteilte, dass das von der Behörde verwendete Messgerät diese in jedem Fall automatisch anlegt. Selbst drei Aufforderungen des zuständigen Amtsgerichts, die notwendigen Daten an die Verteidigung zu überlassen, interessierten die Behörde herzlich wenig. Am Ende gab das Amtsgericht seine Versuche auf – und verurteilte den Mandanten zu einer Geldbuße von 90 Euro. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil beim Saarländischen Oberlandesgericht wurde von diesem zurückgewiesen.
Die gegen diese Entscheidungen gerichtete, von unserer Kanzlei formulierte Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hatte nun Erfolg. Dieser führte nämlich aus, es gelte ein Grundrecht auf ein faires, gerichtliches Verfahren. Daher müsse jeder, dem nach einer solchen Messung im Straßenverkehr ein Verstoß vorgeworfen wird, die Gelegenheit haben, den Vorwurf zu überprüfen. Daher müsse die Behörde die Daten zur Entschlüsselung (Token-Datei und Passwort) sowie weitere Unterlagen (Statistikdatei, Eichschein) auf Antrag an das Rechtsanwaltsbüro übersenden, welches dann einen Sachverständigen mit einer technischen Begutachtung beauftragen könne. Die zuständigen Gerichte müssten darauf hinwirken, dass die Behörden ihrer diesbezüglichen Verpflichtung nachkommen. Eine Verurteilung dürfe erst nach vollständiger Herausgabe aller notwendigen Daten erfolgen.
Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Beschluss vom 27.04.2018 – Lv 1/18
Sehr gut! Herzlichen Dank und erst Recht herzlichen Glückwunsch!!
Das wird auch Zeit.
Danke für den Beitrag.
Es ist schon eine Frechheit der Exekutive & der bislang angerufenen Gerichte, dass diese banale Erkenntnis erst vom (Landes-)Verfassungsgericht festgestellt werden muss.
Respekt für das Engagement!
In dieser Materie brauchte man in den letzten Jahren gute „Nehmerqualitäten“ als RA, als SV und als Betroffener. Hoffentlich ändert sich etwas in den Köpfen einiger OLG’s.
Sehr geehrte Frau Zimmer-Gratz!
Ich bin öffentlich bestellter SV für diese Messgerätschaften. Mir ist darum bekannt, dass es nicht nur Schwächen bei der Handhabung sondern eben auch echte Fehler geben kann. Darum bin ich Ihnen sehr dankbar für Ihren Einsatz für die Gesamtheit der Autofahrer.
Vielen Dank also für Ihre erfolgreichen Mühen.